Zurück ins Rampenlicht
Vorhang auf und Bühne frei für die Beere, die sonst im Schatten ihrer populären Schwester steht. Zwar ist sie kleiner und etwas weniger fotogen, als die heute geläufige Erdbeere, allerdings spielt sie völlig zu Unrecht die in Vergessenheit geratene Nebenrolle – um das zu ändern, wollen wir das Bühnenlicht heute einmal auf die inneren Werte der Walderdbeere richten.
Hierzu lohnt sich zunächst ein Blick in die Vergangenheit, denn so wie heute war es nicht immer. Wie wir aus archäologischen Funden wissen, dienten die kleinen Leckerbissen bereits den frühen Menschen als Nahrungsmittel. Dabei gelang ihr mit der Zeit der Sprung vom Speiseplan auf das Papier: Antike römische Lyriker machten die Frucht zum Gegenstand ihrer Dichtungen.
Systematisch angebaut wurde die Pflanze seit dem Mittelalter, dies allerdings ohne die Größe der Frucht merklich zu verändern. Die Kreuzung der Chile-Erdbeere mit der Scharlach-Erdbeere, bei der vornehmlich Wert auf äußerliche Merkmale gelegt wurde, setzte der Karriere der Walderdbeere ein jähes Ende. Die neuen, größeren und ästhetischeren Früchte ließen die Nachfrage an ihr merklich sinken und drängten sie schließlich aus dem Rampenlicht, sodass die Kultivierung nach dem 18. Jahrhundert weitgehend eingestellt wurde.
Obwohl die ursprünglich aus Europa und Asien stammende Walderdbeere ihren Platz an der Spitze eingebüßt hat, steht sie der bis heute geläufigen Erdbeere in nichts nach. Ganz im Gegenteil. Sie steckt voller Vitamine und Mineralien wie Eisen, Calcium und Magnesium und ist darüber hinaus reich an Gerbstoffen und ätherischen Ölen.
In der Volksmedizin schreibt man der Walderdbeere außerdem einen blutreinigenden Einfluss zu und setzt sie als Mittel gegen Durchfall ein. Von Carl von Linné, einem schwedischen Naturforscher des 18. Jahrhunderts, ist gar überliefert, dass er sich durch reichlich frische Walderdbeeren und Walderdbeerenblättertee von der Gicht geheilt haben soll.
Für letzteren gieße man übrigens eine Handvoll der getrockneten Blätter sowie etwa halb so viel der getrockneten Wurzel mit einem halben Liter heißem Wasser auf. Nach 10 Minuten ist der Tee trinkfertig, bereit seine stoffwechselfördernde Wirkung zu entfalten und Sie gut in den Tag starten zu lassen.
Zu finden sind die winterharten, etwa 10 bis 20 cm kleinen Pflanzen häufig an Lichtungen und an Waldrändern. Wer das Glück hat, in der Sammelzeit von Juni bis Juli eine zu entdecken, der sollte der Versuchung dennoch eine Weile widerstehen, denn es besteht die Gefahr, dass die kleinen Früchte durch den Fuchs mit Bandwurmeiern belastet sind. Nach einer gründlichen Wäsche steht dem Genuss jedoch nichts mehr im Wege. Die Frucht, die ihren botanischen Namen – fragaria vesca – dem lateinischen fragare, duften, verdankt, besticht durch einen intensiven, aromatischen und samtig erdigen Geschmack.
Und noch eine Dosis Kennerwissen zum Abschluss: Die Erdbeere ist aus botanischer Perspektive eigentlich eine sogenannte Sammelnussfrucht und wird insoweit zu Unrecht als Beere bezeichnet. Maßgebend ist sind hierbei die auf der Scheinfrucht liegenden, charakteristischen gelben Kerne, die von dieser sozusagen „gesammelt“ werden.
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Ein letzter Applaus und der Vorhang fällt – oder doch nicht? Hier kommt die Zugabe!